Post aus Stammheim1 12.02.20232 Zuerst veröffentlicht in auf https://querdenken-711.de/ und in KERNPUNKTE NO. 6/20233
Liebe Querdenker! Wie schön, dass ihr heute wieder hier seid. Ich feiere Euch für Eure Kreativität und Ausdauer. Als ich von Eurer Idee der Menschenkette um die JVA gehört habe, dachte ich voller Zuversicht im Herzen: Unsere Energie, Kreativität, Ausdauer und Freude bekommen sie nicht klein. Und das ist großartig!
Ich arbeite gerade daran, meine gesammelten Gedanken zum Thema Geld niederzuschreiben. Heute erhaltet ihr Teil 1 von voraussichtlich drei Teilen. Der Vorteil meiner Zwangspause ist, dass ich mich mit allen theoretischen Konzepten intensiv auseinandersetzen kann. Und das mit einem Verstand, der durch die Meditation und dem Verzicht auf digitale Ablenkung gebündelt und kraftvoll ist.
Eines meiner Lieblingszitate ist:
«Wer hohe Türme bauen will, muss lange am Fundament verweilen.» (Anton Bruckner)
Deshalb möchte ich heute einen Rückblick darauf machen, wie unser derzeitiges System aufgebaut ist. Bei der Analyse ist mir bewusst geworden, dass wir der Grund sind, warum das System so funktioniert, wie es funktioniert: weil wir es mit unserer Arbeitskraft und den daraus entstehenden Steuern Tag für Tag aufs Neue finanzieren.
Ich möchte es noch einmal wiederholen, auch wenn es unangenehm ist: Wir sind der Grund, dass das System funktioniert, weil wir jeden Tag aufs Neue mitmachen, wenn wir arbeiten und Steuern erwirtschaften.
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Schon gelesen?
Das Problem ist:
Das Alte entwickelt sich in etwas, das wir nicht wollen.
Das Neue ist noch nicht da und muss von uns geschaffen werden.
Im Moment können wir zunächst dem alten System unsere Energie entziehen und diese dafür nutzen, um am Neuen zu arbeiten. Das Fundament: Geld/Währung und Daten. Das Geld- und Währungssystem ist das Fundament, auf dem derzeit alles aufgebaut ist. Deshalb ist es so wichtig, sich mit seiner Funktionsweise zu beschäftigen.
Zudem wird seit ca. 20 Jahren ein zweites Fundament mittels Daten eingezogen. Das funktioniert, indem Dienste «kostenlos» sind, wenn der Benutzer mit seinen Daten «bezahlt». Hierzu habe ich bereits im Rahmen des Digitalen Aktivisten4 und dem Projekt Freiheitshandy5 gezeigt, warum es äußerst wichtig ist, sich von den Datenkraken zu befreien.
Warum langfristiges Sparen keinen Sinn macht
Zunächst möchte ich Euch einen Rückblick auf mein Leben geben. Ich besuchte das Wirtschaftsgymnasium und so ist es aus heutiger Sicht wenig verwunderlich, dass ich schon im jungen Alter von 18 Jahren meine erste private Rentenversicherung hatte. Man muss sich das mal vorstellen: aus dem Wenigen, das ich mit meinen Nebenjobs neben der Schule verdiente, habe ich einen Teil zurückgelegt, für einen Zeitpunkt, der 45 Jahre (!!!) in der Zukunft liegt. Zudem wurden früh die Glaubenssätze geprägt, dass es wichtig sei,
für die Rente zu sparen
eine eigene Immobilie zu besitzen und diese vor der Rente abzubezahlen
etwas zu vererben (Immobilie aus Punkt 2 + x)
Michael Ende hat es in seinem Buch «Momo» schön beschrieben: dort sparen Menschen Zeit in einer Zeitsparkasse für später. Das hat den Effekt, dass sie immer weniger im Jetzt leben, sondern in einer nicht realen Gedankenversion ihrer Zukunft. Sie befinden sich im Hamsterrad und haben keine Zeit mehr für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Ihre Kinder stecken sie in «Kinderdepots». Und alles nur deshalb, weil sie der Illusion erlegen sind, man könne Zeit sparen.
Meine ersten ??? im Kopf hatte ich 2010, als ich auf folgendes Zitat von Robert Kiyosaki gestoßen bin:
«Ich verstehe nicht, warum Menschen etwas sparen, was andere aus dem Nichts erzeugen können [Papiergeld].»
Deshalb ist es mir heute wichtig, die Essenz dieser Aussage zu beleuchten: viele von uns sind oder waren bereit, ihre Lebenszeit in Form von Arbeitszeit gegen etwas zu tauschen, das von den Banken in beliebiger Höhe aus dem Nichts erzeugt werden kann: Geld. Ein denkbar schlechter Tausch. Lebenszeit und Gesundheit sind genau das, was man mit Geld nicht kaufen kann. Das wird den Meisten aber erst klar, wenn sie krank sind oder wenn sie sich bewusst werden, dass das Leben endlich ist.
Richtigerweise muss es deshalb heißen: Tausche Lebenszeit gegen Geld. Tausche Lebenszeit gegen Nichts.
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Mir wurde mit ca. 40 bewusst, dass das Leben endlich ist (Halbzeit). Zwischen 20 und 30 hatte ich gefühlt unendlich viel Energie. Zwischen 30 und 40 stellte ich fest, dass ich ab und zu eine Pause zum Energie-Tanken benötige. Wie ist es Euch ergangen? Ich freue mich auf eure Briefe!
Bezogen auf das Zitat von Robert Kyasaki wurde mir klar: Das langfristige Sparen, z.B. für die Rente, in einem System mit beliebigem Geldmengenwachstum (Bankenkrise 2008, Corona 2020) und dadurch erzeugter Inflation macht keinen Sinn. Ich verschenke meine Lebenszeit damit an andere. Meine «gesparte Arbeitsleistung» verlor immer mehr an Wert. Von einem Euro, den ich 2005 gespart hatte, ist heute nur noch ein Bruchteil an Kaufkraft übrig. Von den Beträgen, die ich in DM gespart habe, noch viel weniger.
Deshalb habe ich mich 2020 entschieden, meine Rentenversicherungen zu kündigen und lieber noch etwas Sinnvolles mit dem Geld zu machen, z.B. weniger zu arbeiten und mit der gewonnen Zeit Demos organisieren.
Mein Verständnis zum Leben hat sich seit 2010 u.a. in folgenden Punkten vollkommen gewandelt, weil ich die folgenden Glaubenssätze hinterfragt habe:
Macht es Sinn, eine eigengenutzte Immobilie bis zum Rentenalter abzubezahlen und warum verlangen Banken das?
Macht es Sinn etwas vererben zu wollen?
Beide Fragen habe ich für mich mit einem deutlichen «Nein» beantwortet.
1. Immobilie abbezahlen: Sorgt dafür, dass man einen großen Teil seiner Lebenszeit dafür nutzen muss, dass die Immobilie abbezahlt wird. Wahrscheinlich kommen deshalb Familie, Kinder und man selbst zu kurz. Als Ergebnis ist die eigene Lebenszeit in Betonform gebunden. Das gebundene Kapital steht damit auch nicht zum Leben im Alter zur Verfügung. Die Kredittilgung bis zum Renteneintritt wird von Banken verlangt. Würde die gleiche Immobilie allerdings als Investitionsobjekt gekauft, gibt sich die Bank mit einer minimalen Tilgung und der Zinszahlung zufrieden. Die Kredittilgung hat dann kein fixes Enddatum mehr… Deshalb würde ich persönlich eine eigengenutzte Immobilie nie komplett abbezahlen, wenn mir dadurch Lebenszeit für andere wichtige Dinge fehlen würde.
2. Vererben: Ich habe irgendwann nach 2010 festgestellt, dass ich wahrscheinlich 50 bin, bis ich evtl. etwas erben würde. Mein Gedanke war dann direkt: «Wenn ich es bis 50 noch nicht geschafft habe, mein Leben selbst zu gestalten, dann hilft mir ein Erbe auch nicht mehr.» Ich habe also meine Eltern angerufen und sie gebeten, ihr Leben zu genießen und ihr Geld für sich auszugeben, anstatt sich verpflichtet zu fühlen, etwas vererben zu müssen.
Wenn man sich von diesen Glaubenssätzen befreit: Ich muss sparen
für die Rente
um Wohnung/Haus abzubezahlen
um etwas zu vererben
dann wird das Leben wesentlich unbeschwerter. Es ist leichter, im hier und jetzt zu leben. Die letzten Jahre haben uns gezeigt, wie wenig Materielles notwendig ist, wenn wir in eine aktive und liebevolle Gemeinschaft eingebunden sind. Das Rentensystem wird aufgrund des demografischen Wandels immer weniger der einbezahlten Leistungen auszahlen können; deshalb ist es auch ein Zwangssystem. Wäre es gut, müsste man die Menschen nicht zur Mitgliedschaft zwingen, sondern sie würden sich freiwillig darum reißen, mitmachen zu dürfen.
Um Missverständnisse zu vermeiden: natürlich machen gewisse Rücklagen Sinn. Es ist nur wichtig, sich bewusst zu werden, dass das, was gespart wird, morgen weniger wert ist – und dass man Lebenszeit nicht kaufen kann.
Wichtig: Wir müssen dem derzeitigen System unsere Energie in Form von Arbeitszeit entziehen und für unsere eigenen Ideen nutzen6
> weniger Arbeiten = weniger Lohnsteuer im alten System = mehr Zeit für das Neue.
Im nächsten Teil behandle ich das Thema «Zins/Zinseszins» und im dritten und letzten Teil noch mal detailliert das Thema «Arbeitsminderung als Instrument des friedlichen Widerstands».
Die Zeit hier ist sehr intensiv. Eine tiefe Reise nach innen und zu mir selbst. Es ist wohl eine Zwangspause, die notwendig ist, weil ich sie mir selbst nie gegönnt hätte. Ich wachse spirituell (Meditation) und intellektuell (Lesen). Danke für die vielen Bücher!
Diese Woche hat mir jemand geschrieben, der selbst drei Jahre im Gefängnis war und zu-fällig auch die Initialen «MB» hat:
«Du liegst nun auf dem Amboss des Lebens. Dein Geist wird nun geschmiedet für Aufgaben, die Du noch nicht kennst. Eine innere Kraft wird dich leiten, und wenn Du einmal entlassen bist, wirst auch Du erkennen, wie wichtig diese Zeit für Dich gewesen sein wird.»
Ich kann glücklicherweise heute schon erkennen, wofür sie gut ist – aber das erzähle ich Euch persönlich, wenn ich wieder bei Euch bin.
Möge Euer Leben voller Freude und Euer Herz voller Liebe sein. Das wünsche ich Euch von ganzem Herzen!
Euer Michael
Quellen: Michael Ende: «Momo» und Helmut Creutz: «Das Geldsyndrom 2012», 978-3-8107-0140-43
Vgl. Brief v. 07.01.2023: «Ich komme aus der Zukunft, «unserem Great Reset…» Und ich muss sagen: Hier ist alles super, weil Ihr nicht aufgegeben habt!». Als ich im Juli 2021 von einem Redakteur gefragt wurde, wie meine Welt aussieht, habe ich Folgendes geantwortet: «In der Welt, wie ich sie mir erträume, sind die Menschen wieder frei. Und «Frei» heißt dann nicht so wie vor 2020, sondern 1) dass sich das Leben wieder in Gemeinschaft abspielt, 2) dass sich auf kommunaler Ebene starke Strukturen etablieren, 3) dass die Menschen wieder lokal produzieren, was im Übrigen auch der Umwelt gut tut. Es ist eine Welt, in der es Schulen gibt, in der Kinder wieder so ausgebildet werden, dass sie ihrer Bestimmung folgen können. Und in der wir die Kraft der Natur nutzen, sei es durch gesunde Ernährung oder durch meditative und energetische Kräfte.» Wie ihr wisst, nutze ich die Zeit hier, um viel zu lesen, zu meditieren und nachzudenken. Diese Woche bin ich auf folgende Zitate gestoßen: «Wenn die Leute wollten, hätten sie in ihren Händen eine größere, schönere und bessere Welt, aber sie beschäftigen sich mit oberflächlichen Dingen, ohne an die echte Schönheit zu denken.» Anne Frank (1944/1945). «Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden. Sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen.» Joseph Beuys (~1970). Diese beiden Zitate haben mir auch noch einmal in Erinnerung gerufen, dass die letzten 120 Jahre ständige Wiederholungen von Wirtschaftskrisen und Kriegen waren. Und es scheint jetzt genau so weiterzugehen. Deshalb: lasst uns die Zukunft erfinden die wir wollen! In meinem Brief vom 16.10.2022 (siehe unten) hatte ich über das Buch «1984» von Georg Orwell geschrieben. Sinngemäß schreibt Orwell, dass Kriege und die Rüstungsindustrie dazu da sind, um Arbeitskraft und Ressourcen zu vernichten – vor allem um sicherzustellen, dass diese nicht den Menschen zugute kommen; denn: wenn es den Menschen zu gut geht, werden sie auf lange Sicht zu intelligent und als Konsequenz zu viele Rechte einfordern («Auf lange Sicht ist eine hierarchisch geordnete Gesellschaft nur auf einer Grundlage von Armut und Unbildung möglich.»). Das «Sondervermögen für den Krieg» (Schulden) von 100 Mrd. EUR bedeutet bei 80 Mio. Bundesbürgern einen Betrag von 1.250 €, der jedem an Wohlstand entzogen wird. Bezogen auf die 20 Mio. Beschäftigten, die das Ganze «am Laufen» halten, sind es sogar 5.000€. 50 Mrd. EUR Rüstungsetat bedeuten noch einmal 625 € pro Jahr und pro Person, wobei die Rüstungsausgaben noch steigen werden. (2% – Ziel der NATO). Insgesamt trägt also innerhalb von 5 Jahren: 1) jeder Bundesbürger, vom Säugling bis zum Rentner 4.375 € 2) jeder Erwerbstätige 17.500 € finanziell zum Krieg bei. Für mich war bereits 2020 klar, dass ich meine Kreativität und Arbeitskraft nicht mehr für einen Staat einsetze, der die durch meine Arbeit erwirtschafteten Steuern gegen mich einsetzt: nämlich dazu, meine Freiheitsrechte einzuschränken. Ich habe deshalb beschlossen, nicht mehr mitzumachen. Aber wie kann das im Alltag funktionieren? Eine Lösung, die für alle funktioniert, gibt es nicht. Dazu sind wir alle viel zu individuell. Ich kann Euch folgende Anregungen geben: 1) Bei einem monatlichen Einkommen von 1.000 € fällt keine Einkommenssteuer an. Der Freibetrag müsste 2023 erhöht worden sein. Wer es kann, arbeitet weniger und nutzt die freie Zeit, um an unserer Zukunft zu arbeiten. Die Inflation macht es schwierig, weil die Kaufkraft der 1.000 € stetig abnimmt. 2) Bürgergeld – Für mich war es bisher nie eine Option, Geld vom Staat zu erhalten. Aber in dieser Situation frage ich mich, ob es nicht Sinn macht, vom Leistungsgeber zum Leistungsnehmer zu werden. Aus Finanzsicht des Staates erzielt man einen doppelten Effekt – anstatt Steuern zu zahlen erhält man Leistungen. 3) Schenkungen und andere Modelle. Ob diese steuerlich am Ende halten, wird sich zeigen müssen. Aber es gibt bestimmt auch kluge Steuerberater in unserer Bewegung, die hier helfen können. Wichtig ist, dass uns bewusst wird, dass wir mit einem «weiter so» im Alltag zu einem «weiter so» in der Politik beitragen. Für mich ist das «Nicht mehr mitmachen» der erste Schritt, der für jeden relativ leicht umsetzbar ist. Wir haben die Möglichkeit: 1) Uns von den Digitalkonzernen zu lösen > Freiheitshandy. 2) Großkonzerne nicht mehr zu unterstützen > lokale Betriebe. 3) weniger/nicht mehr zu arbeiten und dafür unsere Energie für das Neue einzusetzen. Das Gute ist: Wir haben die Wahl. Wir müssen Sie nur treffen. Das können wir jeden Tag. Was haltet ihr davon? Ich freue mich auf Eure Briefe! Lasst uns 2023 zu einem großartigen Jahr machen. Bleibt alle so groß- und einzigartig wie ihr seid. Von Herzen Euer Michael. Adresse: Michael Ballweg, JVA Stuttgart, Asperger Str. 60, Stuttgart [Anm. d. Red.: Adresse nicht mehr aktuell]. Brief v. 16.10.2022: Liebe Querdenker! Gestern habe ich im Radio einen O-Ton von Robert Habeck (Grüne) gehört: «Die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine rettet Leben.» Ich habe noch nie von Kriegswaffen gehört, die dazu gebaut wurden, Leben zu retten. Aber so ist das in dieser Zeit, in der viele Dinge verdreht werden und man sich nur noch verwundert die Augen reiben kann. Ich habe zudem gelernt, dass es jetzt gute Waffenlieferungen («Ukraine») und böse Waffenlieferungen («Saudi Arabien») gibt. Eigentlich zum Totlachen, wenn es nicht so traurig wäre. Die Partei, die aus der Anti-AKW-Bewegung und der Friedensbewegung entstanden ist, lässt jetzt AKWs länger laufen (demnächst auch neue bauen?) und macht Deutschland zur Kriegspartei. Sie hat sich damit endgültig ihrer Wurzeln entledigt und ist nur noch eine weitere, von Lobbyisten gekaperte Struktur. Die gute Nachricht ist aus meiner Sicht, dass die Menschen an der Basis sich nicht geändert haben und nun in lokalen Gruppen an Alternativen arbeiten. Und das ist großartig! Ich nutze die Zeit, um Bücher zu lesen, für die ich nie Zeit hatte. Letzte Woche war das «1984» von George Orwell. Er schreibt über den «Sinn» von Kriegen: «Aber es war auch klar, dass ein allgemein wachsender Wohlstand das Bestehen einer hierarchisch geordneten Gesellschaft bedrohte, ja tatsächlich in gewisser Weise ihre Auflösung bedeutete. In einer Welt, in der jedermann nur wenige Stunden arbeiten musste, in der jeder genug zu Essen hatte, in einem Haus mit Badezimmer und Kühlschrank wohnte, ein Auto oder sogar ein Flugzeug besaß, in einer solchen Welt wäre die augenfälligste und vielleicht wichtigste Form der Ungleichheit bereits verschwunden. Wurde dieser Wohlstand erst einmal Allgemeingut, so bedeutete er keine Vorzugsstellung mehr. Es war zweifellos möglich, sich eine Gesellschaftsordnung vorzustellen, in der Wohlstand im Sinne von persönlichem Besitz und Luxusartikeln gleichmäßig verteilt war, während die Macht in den Händen einer kleinen priviligierten Schicht lag. Aber in der Praxis würde eine solche Gesellschaftsordnung nicht lange Bestand haben. Denn sobald alle gleichermaßen Muße und Sicherheit genossen, würde die große Masse der Menschen, die normalerweise durch Arbeit abgestumpft war, sich heranbilden und selbständig denken lernen. Und war es erst einmal soweit, so würden sie früher oder später dahinterkommen, dass die privilegierte Minderheit keine Funktion hatte, und würden sie beseitigen. Auf lange Sicht war daher eine hierarchisch geordnete Gesellschaft nur auf einer Grundlage von Armut und Unbildung möglich.» (S. 197/198). Ich verstehe nun auch, warum große Teile der deutschen Produktion ins europäische Ausland verschenkt werden. Wer mehr dazu wissen möchte, informiert sich am besten zum Thema «Target2-Salden». Der Wohlstand in Deutschland durfte nicht weiter steigen, weil sonst die Menschen zu unabhängig werden. Orwell schreibt weiter: «Das Problem bestand darin, die Räder der Industrie sich weiter drehen zu lassen, ohne den wirklichen Wohlstand der Welt zu erhöhen. Verbrauchsgüter mussten zwar produziert, durften aber nicht unter die Leute gebracht werden. Und in der Praxis war der einzige Weg, dieses Ziel zu erreichen, eine immerwährende Kriegsführung. Die Hauptwirkung des Krieges ist die Zerstörung, nicht notwendigerweise von Menschenleben, sondern von Erzeugnissen menschlicher Arbeit. Der Krieg ist ein Mittel, um Materialien, die sonst dazu benützt werden könnten, die Massen zu bequem und damit auf lange Sicht zu intelligent zu machen, in Stücke zu sprengen, in der Stratosphäre zu verpulvern oder in die Tiefe des Meeres zu versenken. Sogar wenn nicht wirklich Kriegswaffen zerstört werden, so ist ihre Fabrikation doch ein bequemer Weg, Arbeitskraft [Anm.: und Ressourcen] zu verbrauchen, ohne etwas zu erzeugen, was konsumiert werden kann.» (S. 199). Im Moment lese ich in der Zeitung, dass im Winter 25% der Bevölkerung in Deutschland am Existenzminimum leben wird, aufgrund der Energiepreise und Inflation. Diese Menschen sind natürlich viel zu sehr mit ihrer eigenen Existenz beschäftigt, als dass sie für größere Veränderungen eintreten können und möchten. Zusätzlich schwächt dies auch die finanzielle Kraft der Demokratiebewegung, so dass es schwieriger werden dürfte, große Demonstrationen zu finanzieren. Auf der anderen Seite haben wir viele mittelständische Unternehmer in der Bewegung, die verstanden haben, dass der Mittelstand der große Verlierer dieser Transformation («4. industrielle Revolution») sein wird, wenn er sich nicht wehrt. Auch in der Mobilisierung stehen wir durch die Benzin-/Diesel-Preise vor Herausforderungen. Ich erinnere mich noch gerne an den August 2020, in dem der Preis für Diesel unter einem (1) Euro lag. Es bleibt daher spannend, wie es im Winter und im nächsten Jahr weitergeht. Ich erhalte viele tolle Projektberichte und mein Herz springt vor Freude, wenn ich sie lese. Es entstehen so viele Dinge, die auch nicht mehr verschwinden werden. Eine schöne Zuschrift möchte ich Euch nicht vorenthalten: «Loslassen und wachsen, das ist es, was wir getan und erfahren haben. Es ist ein wunderbarer Weg, denn er löst von außen aufgedrückte Fesseln. Doch wie oft haben diese gar kein Schloss. Man muss sich nur trauen, diese abzulegen» (Anja). Mir geht es weiterhin gut. Beim Kreuzworträtseln ist mir aufgefallen, dass das Wort «Gier» in «Re-Gier-ung» enthalten ist. Was für ein «Zufall» :-) Ich nutze die Zeit intensiv und freue mich, bald wieder bei Euch zu sein. Was ich definitiv gelernt habe, ist Ängsten gar nicht erst Raum einzuräumen. Das ist sicher eine Eigenschaft, die mir in der Zukunft noch helfen wird. In tiefer Verbundenheit – Euer Michael. P.S. Alle von mir veröffentlichten Briefe sind ausdrücklich zum Abdruck freigegeben. Wer sie veröffentlichen möchte, worüber ich mich sehr freue, kann dies ohne weitere Freigabe tun. Quelle: https://querdenken-711.de/jva/michael-ballwegs-briefe-aus-der-jva-stammheim/