Westen im Osten
«England» ist nicht immer gleich England, «Russland», «Schweiz», «Amerika», «Deutschland», ja auch «China» nicht immer gleich China. Im Untergrund der Länder findet ein Ringen statt – zwischen dem Land und etwas Fremdem in ihm. Wenn innerhalb eines geografischen Gebietes etwas vorgeht, stellt sich daher die Frage: Ist es das Land, oder ist es das Fremde?
Natürlich ist es mühselig, dieser Frage nachzugehen und viel bequemer, vorgefertigten Pressemeldungen oder Meinungen anzuhängen, aber wie bei sich selbst, Freunden und Bekannten, Personen des öffentlichen Lebens und gar bei den von allen vielleicht am schwersten an ihrem Widersacher erkrankten, ungewählten, selbsternannten «Eliten», die heute eine gewisse äußere Macht genießen – wie in all diesen Fällen so kann ich auch ein Land nur dann verstehen, wenn ich in der Lage bin, es von seinem «Doppelgänger» zu unterscheiden, unter dem das Land selber leidet.
Das Sprungbrett der Menschheit
Ich verurteile die menschenverachtende Tat, ich benenne die Schwäche eines Menschen, die dem «Doppelgänger» Eintritt gab, aber ich behalte das Bewusstsein seines guten Kerns, sein Potential im Herzen. Ändert er gar den Sinn, bereut, und sucht das Verbrochene wieder gut zu machen, so beziehe ich das in mein Weltbild mit ein, denn tue ich es nicht, so wird unter Umständen die Kluft zwischen meiner Vorstellung und der Wirklichkeit immer größer werden. Wo das Märchen vom verlorenen Sohn, der Sinneswandel von Saulus zu Paulus, die Korrektur des Irrtums in die Wahrheit auf die Kraft der Vergebung trifft, dort steht das Sprungbrett für die Zukunft der Menschheit.
In Deutschland etwa findet eigentlich so gut wie kein Kampf mehr statt zwischen dem Land und dem Fremden in ihm. Ich spreche in erster Linie von der sogenannten Führungsebene, nicht von den Menschen. Die deutsche Politik vertritt mit wenigen Ausnahmen spätestens seit Beginn des zweiten Weltkriegs nicht mehr eigentlich Deutschland, sondern den britischen oder wenn man so will, anglo-amerikanischen «Tiefen Staat» und das Gleiche gilt im Wesentlichen auch für den Rest Europas.
Sir Henry Alfred Kissingers Chatham House-Rede
In seiner wenig berühmten Rede: Betrachtungen über eine Partnerschaft: britische und amerikanische Einstellungen zur Außenpolitik der Nachkriegszeit1 (siehe Downloadoption unten) vom 10. Mai 1982 im Londoner Royal Institute of International Affairs, im Chatham House, spricht Kissinger im internen Kreis offen über die intime Partnerschaft Englands und Amerikas.
Dass England und Amerika eng verbündet sind – so Kissinger:
«gilt insbesondere für die Zeit ab dem Zweiten Weltkrieg. […] Unsere NATO-Bündnispartner haben sich angesichts ihrer Abhängigkeit weniger als souveräne Nationen und vielmehr als Lobbyisten für die Entscheidungen Washingtons erwiesen. […] Die Leichtigkeit und Ungezwungenheit der anglo-amerikanischen Partnerschaft hat in Drittländern für Erstaunen – und nicht wenig Missmut – gesorgt.
Unsere diplomatische Geschichte der Nachkriegszeit ist übersät mit anglo-amerikanischen «Vereinbarungen» und «Absprachen», manchmal zu entscheidenden Fragen, die nie in formellen Dokumenten festgehalten wurden. […] Die Briten waren so überaus hilfsbereit, dass sie an den internen amerikanischen Beratungen teilnahmen, und zwar in einem Maße, wie es wahrscheinlich noch nie zuvor zwischen souveränen Nationen praktiziert wurde. In meiner Amtszeit spielten die Briten eine entscheidende Rolle bei bestimmten bilateralen Verhandlungen der USA mit der Sowjetunion – sie waren sogar an der Ausarbeitung des Schlüsseldokuments beteiligt.
In meiner damaligen Inkarnation im Weißen Haus habe ich das britische Außenministerium besser informiert und enger einbezogen als das amerikanische Außenministerium. […] Die Gewohnheit der intimen, informellen Zusammenarbeit aus der Kriegszeit wurde zu einer dauerhaften Praxis»2
So der ehemalige nationale Sicherheitsberater und Außenminister der Vereinigten Staaten, Henry Kissinger3. Die NATO-Bündnispartner sind also Lobbyisten Washingtons, Washington aber wiederum ist in erster Linie London verpflichtet:
«In meiner damaligen Inkarnation im Weißen Haus habe ich das britische Außenministerium besser informiert und enger eingebunden als das amerikanische Außenministerium»
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Wer schwört auf Rasse und hasst doch jede Nation?
«Europa» ist eigentlich derzeit nicht Europa, sondern eine Außenstelle des Westens in der Mitte. Aber auch der «Westen» ist nicht mehr eigentlich Westen, sondern eine Hülle des «Tiefen Staates», der unter amerikanischer Tarnkappe seine Zentrale nach wie vor in Englands City of London hat und von dort aus seine intelligenten Tentakel durch die Welt streckt – wobei das hier gemeinte «England» auch wiederum nicht eigentlich England ist.
Der «Tiefe Staat» ist letztendlich derselbe in jedem Land und gehört doch selbst zu keiner Nation, er ist rassistisch bis ins Mark und hasst doch nichts so sehr wie die Nationalstaaten mit ihrer Kultur und Tradition.
Dreigliederung des sozialen Organismus
Es wäre dagegen an der Zeit, auf organische Weise – die Souveränität der Nationalstaaten respektierend – neue geografische Räume über Landesgrenzen hinweg zu erschaffen, 1. im Sinne eines freien Geisteslebens – also frei von politischem und wirtschaftlichem Lobbyismus – 2. im Sinne eines auf der Basis von Gleichheit und gegenseitigem Respekt vor den Rechten des Anderen gestalteten politischen Lebens und 3. im Sinne von auf Brüderlichkeit basierenden assoziativen Wirtschaftsräumen, die immer von Natur aus «winwin»-Charakter tragen und allen Seiten zugute kommen – mit anderen Worten wäre es Zeit, für eine gesunde Dreigliederung des sozialen Organismus, die auch den Nationalstaaten keine Gewalt antut, denn es handelt sich – so Steiner – darum, dass nicht der Nationalegoismus, sondern:
«das Allgemeinmenschliche durch den Rahmen des Nationalen auf der Erde gepflegt werde.»5
Der «Tiefe Staat»: Chamäleon und Feind der Dreigliederung
Für den vom «Tiefen London und Walstreet» finanzierten Hitler etwa war Rudolf Steiner ein Rotes Tuch mit seiner «Judenmethode» der «Dreigliederung des sozialen Organismus»6, wie es der aufsteigende Nationalsozialist in seinem Leitartikel im Völkischen Beobachter vom 15. März 1921 nannte. Steiner wiederum seinerseits soll bezüglich Hitler geäußert haben:
«Wenn diese Herren an die Regierung kommen, kann mein Fuß deutschen Boden nicht mehr betreten.»7
Während der «Tiefe Staat» auf der einen Seite noch heute ein Händchen dafür hat, überall auf der Welt «Nazis» zu finanzieren, will er anderseits die Nationalstaaten ausrotten, um sie – nicht durch allgemein Menschliches – sondern durch seinen eigenen egoistischen, rassenideologischen, zentralisierten, nationalitätenfreien «One-World-Great-Reset» zu ersetzen.
Einmal war Rom sein Wirt, heute ist es England. Der «Tiefe Staat» ist keine Person, sondern ein langfristiges, generationenübergreifendes Projekt, von seinen wechselnden Trägern konstruiert, um als «Überrasse» weit über deren eigene individuelle Lebensspanne hinaus über die Ressourcen der Erde und den Rest der Menschheit zu walten und zu schalten.
NSSM-200 – der «Kissinger-Report»
Damals, im Dezember 1974, war der Kissinger-Report zwar noch als vertraulich eingestuft und nur den höheren Ebenen des «Imperiums» zugänglich, heute aber kann jeder selbst in Henrys Nationale Sicherheitsstudie Memorandum aus 1974 (NSSM-200) mit dem Titel: Die Auswirkungen des weltweiten Bevölkerungswachstums auf die Sicherheit und die Übersee-Interessen der Vereinigten Staaten8 nachlesen, wie das neo-britische Imperium sich seine neue Weltordnung erträumt – ein Schlüsseldokument im Übrigen, wie wir sehen werden, in Bezug auf die Einführung der Ein-Kind-Politik in China.
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Chinas «Karma» mit dem britischen Imperium
China ist ein Land, das seit Jahrhunderten eine lange schmerzliche Geschichte als Opfer des «Londoner Tiefen Staates» hinter sich hat, der zuweilen – wie wir es heute zweifelsohne im Westen beobachten – das Ruder im Land gänzlich zu übernehmen schien. Zu dieser Geschichte gehören auch die vom
britischem Imperium instrumentalisierten Plagen und geführten Kriege wie etwa die beiden Opiumkriege von 1839 bis 1842 und 1856 bis 1860, die nicht nur physischen, sondern auch geistig-seelischen Tod über das grosse Land brachten; der Taiping-Aufstand von 1851 bis 1864, von dem angenommen wird, dass er zwischen 30 und 40 Millionen Chinesen das Leben kostete10; dann wiederum die große chinesische Hungersnot von 1958 bis 1961, durch die geschätzt bis zu 55 Millionen Chinesen starben11, eine Wunde, deren Ausnutzung – wie wir sehen werden – sich eignete für die Verwirklichung der von Kissinger in seinem im NSSM-200-Report genannten Ziele. Dasselbe kann gesagt werden von der geistigen und wirtschaftlichen Schwächung des Landes durch die von Mao und der Viererbande angeführte chinesische sogenannte Kulturrevolution, die vom 16. Mai 1966 bis 6. Oktober 1976 andauerte, durch die noch einmal viele Millionen Menschen ums Leben kamen. Auch die Ein-Kind-Politik – die laut Schätzung der chinesischen Regierung bis zu 400 Millionen Geburten verhindert haben soll12 – gehört in diese Kategorie.
Vielleicht ist gerade dieses «Karma» Chinas mit dem britischen «Tiefen Staat» der Grund, warum das verbrannte Land heute in mehr als einer Hinsicht die Kraft zu finden scheint, die Geschichte nicht zu wiederholen, sondern sich von dem Joch des Westens zu befreien – etwa durch den Rausschmiss von George Soros13 mit seiner Open Society Foundations (OSF)14 und allen mit ihm verbundenen Organisationen und Institutionen im Jahr 198915 – ein Oligarch, der bis heute in China Einreiseverbot hat. Wenn Soros also am 24. Januar 2020 in Davos Xi Jinpings China eine der größten Gefahren für seine offene Gesellschaft nennt, so hängt das vielleicht tatsächlich damit zusammen, dass das heutige China ein anderes ist als das China, welches er früher einmal lobte.
Überall auf der Welt, wo sich ein Blatt bewegt…
Mit der Aufhebung der Ein-Kind-Politik im Jahr 2016 und allen weiteren erzwungenen Begrenzungen des familiären Wachstums im Jahr 2021 hat China sozusagen das «Blatt» gewendet und – wie wir sehen werden – einen weiteren Dorn westlicher Bevölkerungspolitik aus seinem Fleisch gezogen, denn es trifft auch diesbezüglich das persische Sprichwort zu:
«Überall auf der Welt, wo sich ein Blatt bewegt, findet man darunter einen Engländer.»16
…Oder einen Funktionär des anglo-amerikanischen «Tiefen Staates» wie Henry Alfred Kissinger.
Einführung der Ein-Kind-Politik in China
Ich hege keinerlei Intention, die Verantwortung Chinas für die Ein-Kind-Politik, noch weniger diese selbst oder sonstige Depopulations-Politik irgendwo auf der Welt, zu verharmlosen. Der erste Schritt jedoch zum Frieden zwischen Ost und West ist – wie zu Beginn gesagt – ein Land, seine Kultur und seine Geschichte zu verstehen. Wie beispielsweise konnte es zu so etwas wie der Ein-Kind-Politik kommen? Was ging dem voraus? Welche Faktoren, Fehler oder Täuschungen führten dazu oder gar welche Rolle spielten fremde Geheimdienstoperationen und Operationen psychologischer Kriegsführung dabei?
Die Ein-Kind-Politik wurde 1979 zunächst auf Provinzebene und 1980 landesweit eingeführt. Damals war China ein Land, welches die nicht weit zurückliegenden Schreckensjahre der großen chinesischen Hungersnot noch schmerzlich in Erinnerung hatte. Wie der britische Westen diese Wunde für seine gruppenegoistischen Zwecke zu nutzen wusste, werden wir bald erfahren. Der frühere Premierminister Zhou Enlai17, sowie Mao Zedong18 – Gründer und damaliger Staatspräsident der Volksrepublik China – waren 1976 verstorben; kurz danach wurde Deng Xiaoping19 Chinas neuer Präsident und der dubiose Zhao Ziyang20 Ministerpräsident der Volksrepublik. Die enge Verbindung Zhao Ziyangs mit dem bereits erwähnten Philanthropen und Open Society Foundations (OSF)-Gründer George Soros, mit dem zusammen er 1989 aus dem Land verwiesen wurde, darzustellen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen.
Aufhebung der Ein-Kind-Politik
Die Ein-Kind-Politik erfuhr in den 35 Jahren, in denen sie währte, eine Vielzahl an Lockerungen, bevor sie im Januar 2016 unter der Leitung des bis heute amtierenden chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping21 zuerst in eine Zwei-, ab Ende Mai 2021 in eine Drei-Kinder-Politik übergeführt wurde, um dann endgültig ab Juli desselben Jahres restlos aufgehoben zu werden. Die Ein-Kind-Politik galt im Übrigen einzig für die Han-Chinesen, also das eigentliche Volk Chinas; alle ethnischen Minderheiten wie etwa die Tibeter, die Uiguren oder Muslime waren von Anfang an davon befreit.
China ist ein Land, das die Ein-Kind-Politik einführte und China ist auch ein Land, das diese Politik verdammte und wieder aufhob. Wir haben es, wie es scheint, mit einem Kampf zweier «Chinas» zu tun. Das China, welches die Depopulation verdammt, ist – wie wir sehen werden – im Einklang mit alter chinesischer Tradition und Kultur. Verfolgt man jedoch den roten Faden des anderen Chinas, des «Chinas» der Ein-Kind-Politik, so führt uns das nicht in die chinesische Vergangenheit zurück, sondern direkt in den Abgrund westlicher Eugenik-Ideologie – ein «China» also, das eigentlich keines ist.
…Zuviel «China»? Keine Sorge! – Alle Wege führen nach «Rome»22!
Chinas lange Tradition der Förderung einer steigenden Geburtenrate
Der Wunsch, die Bevölkerung zu vermehren, soll in China eine lange und starke Tradition gewesen und die Fruchtbarkeit des Volkes im Laufe der Geschichte von einer Vielzahl an Dynastien gefördert worden sein. Es lebte die Anschauung, dass eine hohe Geburtenrate sowohl den Familien als auch dem Staat zugutekäme.23
Der «Englishman»
Die Idee der Bevölkerungsreduktion – die sowohl auf Führungs- wie auch auf Volksebene der Tradition der Chinesen fremd war, tauchte innerhalb des Landes aus dem Westen kommend erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf und zwar durch den britischen Ökonom und Bevölkerungstheoretiker Thomas Robert Malthus.
Es war hier schon öfters von ihm die Rede, siehe etwa den Artikel Von Malthus bis WEF 2023 in KERNPUNKTE NO 3/2023. Sie können die Ausgabe hier einsehen:
1880 – Thomas Malthus in China
The American Journal of Economics and Sociology
veröffentlichte in der Vol. 75, No. 4/2016 eine Studie zum Thema, das diesen Sachverhalt mit einbezieht:
«Streng genommen ist die Idee der Geburtenkontrolle eine ziemlich neue und fremde Idee für China. Sie ist erst etwa 100 Jahre alt und stammt aus der Zeit, als die westliche Aufklärungsbewegung in China eingeführt wurde. […] Das Bevölkerungsproblem geriet durch die in den 1880er-Jahren in China eingeführte Bevölkerungstheorie von Malthus in das Blickfeld des modernen Chinesen.[…]24
1917 – Chen Changheng von der Harvard University
Chen Changheng war der erste Pionier der Demografie in China. Er studierte an der Harvard University und erwarb 1917 einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften. Er kehrte nach China zurück und legte die Grundprinzipien eines «neuen, wissenschaftlichen Ansatzes für das Bevölkerungsmanagement» fest25. In seiner ersten großen Veröffentlichung analysierte Chen26 das Bevölkerungsproblem Chinas im Lichte der Bevölkerungstheorie von Malthus […] Er schlug vor, Geburtenkontrolle und Eugenik als notwendigen Weg zur Verringerung des Bevölkerungsdrucks einzusetzen.Dies sollte die Grundlage für eine «Reproduktionsrevolution» sein, die auf staatlicher Intervention beruhe.»27
1922 – Rockefellers Margret Singer in China
In den gleichen Jahren wurde die zu diesem Zweck von der Rockefeller-Familie28 auch finanziell intensiv geförderte29 Eugenikerin, Malthus-Anhängerin und Gründerin des Planned Parenthood Federation of America (PPFA) Margaret Higgins Sanger in China aktiv, um die Akzeptanz und Annahme der Notwendigkeit einer chinesischen Entvölkerungspolitik u.a. durch Reduktion der Geburtenrate voranzutreiben. Sanger war 1922 im Übrigen die erste Frau, die eine führende Rolle bei der Internationalen Neo-Malthusischen Konferenz übernahm, außerdem organisierte sie federführend die 6. Internationale Neo-Malthusianische- und Geburtenkontrolle-Konferenz, die 1925 in New York stattfand.30 Über Ihre Zeit in China berichtet die Amerikanerin in eigenen Worten:
«Ich reiste nach Peking und konnte dort vor 2500 Studenten an der Staatsuniversität von Peking sprechen. Ich sprach auch am Rockefeller-Institut und bei einer Versammlung von Bankern, die mir zu Ehren ein Festessen veranstalteten. […]
Wenn jemand die malthusianische Theorie widerlegen will, sollte er, bevor er seine Zeit verschwendet, eine Reise nach China unternehmen, denn dort wird die Bevölkerungsfrage mit all den Schrecken, die Malthus beschrieben hat, bestätigt.»31
Sun Yat-Sen – Chinas früher Antimalthusianismus
So mächtig sie sich auch dünkten – die Eindringlinge aus dem Westen mit ihrer Malthuslehre erreichten noch nicht ihr Ziel. Es gab an bedeutender Stelle immer Persönlichkeiten, die dieses eugenische Gedankengut zurückwiesen, wie etwa Chinas ersten Präsidenten und Gründungsvater der Republik (1912) Sun Yat-sen32, der bis 1925 noch am Leben war. Sun Yat-Sen bezeichnete die malthusische Lehre als «Gift» und betonte, dass Chinas finanzielle Probleme – anders als vom Westen behauptet – nicht durch Überbevölkerung entstünden.
Junckersche Geduld
Die Zeit für die Ein-Kind-Politik und eine offene Eugenik in China schien noch nicht gekommen. In den folgenden Jahrzehnten begann man daher stattdessen mehr indirekt im «Untergrund» zu arbeiten, denn die Beeinflussung auf politischer Ebene war vorerst gescheitert. Aber der «Tiefe Staat» des Westens hat ja in der Regel Zeit – wie der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission und Premierminister Luxemburgs Jean-Claude Juncker bemerkte:
«Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.»33
Gibt es dagegen «Geschrei», dann werden andere – in Anbetracht der Zeitlage günstigere – Wege gesucht.
Der Nährboden für eine neue Pseudowissenschaft in China
Man war zwar bei der Depopulations-Politik gescheitert, aber günstiger denn je war die Zeit dagegen für Beeinflussung des Geistes-, Wissenschafts- und Bildungslebens. Die Schreckensbilder der großen chinesischen Hungersnot34 von einem abgemagerten, sterbenden Volk standen auch in den Folgejahrzehnten jedem Chinesen vor Augen und waren Realität, keine Theorie. Zwar hatte der Mangel an Nahrungsmitteln ganz andere Ursachen als Überbevölkerung gehabt und doch war diese Wunde der perfekte Nährboden, um Angst und Panik vor Nahrungsmangel auf Grund von Überbevölkerung zu schüren.
Die von Mao angeführte sogenannte Kulturrevolution, die vom 16. Mai 1966 bis 6. Oktober 1976 währte und eine Art von verwestlichtem, kulturellem «Reset» Chinas herbeiführen sollte, öffnete nicht nur das Land für neues Gedankengut, sondern hatte auch eine zerstörte Wirtschaft, Armut und weitreichende Abhängigkeit von Fremdkapital nach sich gezogen. Somit war das Immunsystem des Landes geschwächt, die Furcht vor erneuter Nahrungsmittelknappheit gross, sowie der Verantwortungsdruck auf die führenden Politiker des Landes hoch – es galt einer erneuten Nahrungsmittelknappheit vorzubeugen – und es standen den aus dem Westen angebotenen Geldsummen sowie dem aus dem Westen kommenden – und schon lange anklopfenden – neo-malthusianischen Gedankengut auf einmal Tür und Tor offen – der Glaube also, dass während die Lebensmittel arithmetisch zunehmen – 1, 2, 3, 4, 5 –, die Population geometrisch wächst – 1, 2, 4, 8, 16 – bis die Katastrophe – der gegenüber die große chinesische Hungersnot harmlos wäre – für die gesamte Menschheit kommt35
Diese Logik unter den gegebenen Umständen angesichts der gemachten Erfahrungen zu entkräften, war kein einfaches Unterfangen. So breitete sich auf der einen Seite die Idee, der Gefahr einer Hungersnot und Armut durch Einschränkung der Geburtenrate vorzubeugen, wie eine Seuche zuerst in den Wissenschaften und dann bis in die Reihen politischer Entscheidungsträger hinein aus, während auf der anderen Seite die beschriebene Abhängigkeit von Fremdkapital nun West-Mächten eine günstige Gelegenheit bot, politische Entscheidungen durch das Anbieten oder der Entzug von Geldsummen zu beeinflussen.
«Mit ihrer eindrucksvollen Sprache der Zahlen und der Mathematik spielte die Wissenschaft im Allgemeinen und eine Bevölkerungswissenschaft im Besonderen eine politisch entscheidende Rolle, um die chinesische Führung von der Dringlichkeit der Bevölkerungskontrolle und sowohl die Regierungsbeamten als auch die Öffentlichkeit von der Legitimität der Geburtenkontrollpolitik zu überzeugen.»36 Der «Einfluss des Westens auf die Entwicklung der chinesischen Ein-Kind-Politik zeigte sich in Form von wissenschaftlichen Ideen, finanzieller Unterstützung, Entwicklungstheorie, landwirtschaftlicher Theorie und Umwelttheorie.»37 So das American Journal of Economics and Sociology
Die Beurteilung Chinas erweist sich nicht so einfach, wie ich das jahrelang meinte. Es soll nicht behauptet werden, dass in der chinesischen Regierung lauter Engel sitzen oder dass deren Social Credit System eine gute Sache ist oder gar, dass die europäische Kultur – im Sinne Goethes, Schillers und der Dreigliederung des sozialen Organismus – selbst keine eigene Aufgabe hätte und sie daher Chinas Staatsmodell übernehmen müsste, sondern es soll ein Verstän(dnis für die Vielschichtigkeit der Problematik rund um Chinas Ein-Kind-Politik sowie die Rolle des «Tiefen-Westens» dabei erweckt werden.
(Mehr dazu, was weiter geschah und welche Rolle genau Kissinger dabei spielte, in Teil II in einer der kommenden Ausgaben der KERNPUNKTE.)
Reflections On a Partnership: British and American Attitudes to Postwar Foreign Policy
Übersetzung: kj. Henry Kissinger 10. Mai 1982 im Royal Institute of International Affairs, Chatham House, London. Quelle: Reflections on a Partnership: British and American Attitudes to Postwar Foreign Policy. Address By the Honorable Henry A. Kissinger. In Commemoration of the Bicentenary of the Office of Foreign Secretary. Original: «This has been true particularly of the period since the Second World War»./«Our NATO allies, given their dependence, conducted themselves less as sovereign nations than as lobbyists in Washington decision-making»/«The ease and informality of the Anglo-American partnership has been a source of wonder – and no little resentment – to third countries. Our postwar diplomatic history is littered with Anglo-American «arrangements» and «understandings», sometimes on crucial issues, never put into formal documents»/«The British were so matter-of-factly helpful that they became a participant in internal American deliberations, to a degree probably never before practiced between sovereign nations. In my period in office, the British played a seminal part in certain American bilateral negotiations with the Soviet Union – indeed, they helped draft the key document. In my White House incarnation then, I kept the British Foreign Office better informed and more closely engaged than I did the American State Department»./«Bevin, the unlikely originator of this revolution in British diplomacy, shrewdly calculated that Britain was not powerful enough to influence American policy by conventional methods of pressure or balancing of risks. But by discreet advice, the wisdom of experience, and the presupposition of common aims, she could make herself indispensable, so that American leaders no longer thought of consultations with London as a special favor but as an inherent component of our own decision-making. The wartime habit of intimate, informal collaboration thus became a permanent practice».
Henry Alfred Kissinger: Nationaler Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten vom 20. Januar 1969 bis 3. November 1975. Außenminister der Vereinigten Staaten vom 22. September 1973 bis 20. Januar 1977. Kommissionsvorsitzender der 9/11-Kommission vom 27. November 2002 bis 14. Dezember 2002.
https://findit.library.yale.edu/catalog/digcoll:558482
Rudolf Steiner, Dornach 6. Februar 1920, RSV GA 196/1992 S. 163
Adolf Hitler: Leitartikel auf der Titelseite der Münchner nationalsozialistischen Zeitung Völkischer Beobachter vom 15. März 1921
Rudolf Steiner Verlag GA 259/1991 S. 863
https://pdf.usaid.gov/pdf_docs/PCAAB500.pdf. National Security Study Memorandum NSSM 200 – Implications of Worldwide Population Growth for U.S. Security and Overseas Interests (The Kissinger Report). December 10, 1974
https://pdf.usaid.gov/pdf_docs/PCAAB500.pdf
Zhihe Wang und Co-Autoren Ending an Era of Population Control in China. In The American Journal of Economics and Sociology. S. 932
Ebenda S. 945
Ebenda S. 961
George Soros: geboren 12. August 1930 in Ungarn
Soros ist Gründer der global agierenden Open Society Foundations, die in ihren eigenen Worten gegründet wurde, um Demokratien weltweit finanziell zu unterstützen.
https://matthewehret.substack.com/p/how-china-banned-soros-in-1989-a
«Anywhere in the world, where a leaf moves, underneath you will find an Englishman»
Zhou Enlai, 1. Ministerpräsident der Volksrepublik China (während der Amtszeit von Mao Zedong) vom 1. Oktober 1949 bis zu seinem Tode am 8. Januar 1976
Mao Zedong: Gründer der Volksrepublik China (1. Oktober 1949), überragender Führer (1. Oktober 1949 bis 9. September 1976) und Staatspräsident der Volksrepublik China (27. September 1954 bis 27. April 1959)
Deng Xiaoping: überragender Führer der Volksrepublik China, Amtszeit: Dezember 1978 bis November 1989
Zhao Ziyang: 3. Ministerpräsident der Volksrepublik China von 10. September 1980 bis 4. November 1987
Xi Jinping: überragender Führer der Volksrepublik China seit 15. November 2012 sowie Staatspräsident der Volksrepublik China seit 14. März 2013
Gemeint ist der «Club of Rome»
Zhihe Wang, Ming Yang, Jiaming Zhang, Jiang Chang: Ending an Era of Population Control in China. Was the One-Child Policy Ever Needed? In The American Journal of Economics and Sociology.
King, Michelle. (2014). Between Birth and Death: Female Infanticide in Nineteenth-Century China. Palo Alto: Stanford University Press. S. 172
Changheng Chen. (1918). On China’s Population. Shanghai: Shangwuyishuguan (auf Chinesisch). S. 99
Changheng Chen. (1918). On China’s Population. Shanghai: Shangwuyishuguan (auf Chinesisch). S. 99
Zhihe Wang, Ming Yang, Jiaming Zhang, Jiang Chang: Ending an Era of Population Control in China. Was the One-Child Policy Ever Needed? In The American Journal of Economics and Sociology. S. 935/935-36. Übersetzung kj. Original: «Since Chinese culture has strongly encouraged fertility, Chinese families had great difficulty embracing the notions about birth control and family planning that were introduced to China from the West. Strictly speaking, the idea of birth control is a pretty new and alien idea to China. It dates back only about 100 years, to the period when the Western Enlightenment movement was introduced into China.»/«The population problem came into modern Chinese sight via Malthus’s theory of population, which was introduced into China in the 1880s. […] Chen Changheng was the earliest demographic pioneer in China. He studied at Harvard University and earned a master’s degree in economics in 1917. He returned to China and set out the basic tenets of «a new, scientific approach to population management» (King 2014:172). In his first major publication, Chen (1918:99) analyzed China’s population problem in light of Malthus’s theory of population: […] He proposed to promote birth control and eugenics as the fundamental way to ease population pressures. This was to be the basis of a «reproductive revolution», based on state intervention.»
Insbesondere vom Mitglied in zweiter Generation der Rockefellerfamilie John Davison Rockefeller Jr., geboren am 29. Januar 1874 und gestorben am 11. Mai 1960. Durch dessen Vater: John D. Rockefeller Sr. und dessen Bruder wurde die Familie Rockefeller zuerst bekannt. John Davison Rockefeller Jr. ist der Vater von dem 2017 verstorbenen David Rockefeller
https://en.wikipedia.org/wiki/Margaret_Sanger
Ebenda
2500 students in the Government University of Peking. I also spoke at the Rockefeller Institute as well as at a gathering of bankers, who gave a luncheon in my honor. […] If anyone wishes to refute the Malthusian theory, it is worth while before wasting his time, to take a trip to China, for there the population question with all the horrors that Malthus depicted, is vindicated.». Zhihe Wang, Ming Yang, Jiaming Zhang, Jiang Chang: Ending an Era of Population Control in China. Was the One-Child Policy Ever Needed? In The American Journal of Economics and Sociology. S. 936
Sun Yat-sen: Gründungsvater der Republik China und dessen 1. provisorischer Präsident vom 1. Januar 1912 bis 10. März 1912
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-15317086.html
Während der auch hier bereits wiederholt erwähnte, dubiose «Sorosverbündete» Zhao Ziyang eine Kampagne leitete, die darauf abzielte, die Bauern zu foltern, damit sie ihre Nahrungsmittelvorräte – die jedoch nicht existierten – preisgäben. https://en.wikipedia.org/wiki/Zhao_Ziyang
Übersetzung kj. Original: «Also, with its powerful language of numbers and mathematics, science in general, and population science in particular, played a politically instrumental role in persuading China’s leaders of the urgency of population control and convincing government officials as well as the public of the legitimacy of birth control policy» Quelle: Zhihe Wang, Ming Yang, Jiaming Zhang, Jiang Chang: Ending an Era of Population Control in China. Was the One-Child Policy Ever Needed? In The American Journal of Economics and Sociology. S. 952-53
Übersetzung kj. Original: «Ironically, China’s one-child policy was deeply influenced by the West. […] In other words, as Greenhalgh (2008: 99) observes, «Western ideas […] shape[d] China population policy.» China’s one-child policy somehow is a product of blind imitation, a product of mechanically copying Western population science.[…] the Western influence, although it was indirect, was crucial. Unfortunately, this factor has been neglected in both academia and the public in China, as well as the rest of the world. This influence from the West on the development of China’s one- child policy was embodied in the form of scientific ideas, financial support, development theory, agricultural theory, and environmental theory.» Quelle: Zhihe Wang, Ming Yang, Jiaming Zhang, Jiang Chang: Ending an Era of Population Control in China. Was the One-Child Policy Ever Needed? In The American Journal of Economics and Sociology. S. 950
Korrektorat: Elisabeth Winterer